Eines der engmaschigsten und fortschrittlichsten Landesvermessungen hat seinen Ursprung im sächsischen Großenhain. Mittels der Großenhainer Grundlinie wurde ein Meilenstein der maßstabsgetreuen Kartographierung gelegt.
Die Großenhainer Grundline
GPS – Großenhainer Positionierungs-System könnte man es bezeichnen, was sich hier ab 1869 abspielte. Vereinfach gesagt, stellte man in und um Großenhain drei kleine Säulen auf, deren Abstand zueinander man ausmaß und anhand deren Abstand man das gesamte sächsische Königreich vermessen und maßstabsgetreu kartographieren konnte. Von hier aus stellte man also die kompletten Entfernungen der Städte und Dörfer Sachsens zueinander fest. In der Praxis war dies damals allerdings komplizierter als eben beschrieben.
Die Basisenden in Raschütz und Quersa
In Raschütz, Quersa und in Großenhain befanden sich drei kleine Basishäuschen. In ihnen befindet sich ein in den Boden eingelassener Grundpfeiler über dem sich ein weiterer Pfeiler genau senkrecht befindet. In dieser Bauweise präsentiert sich heute nur noch der Basispunkt in Quersa. Die beiden Häuschen in Großenhain und Raschütz wurden während ihrer militärischen Nutzung abgerissen. Allerdings weisen noch heute Nachbildungen der Pfeiler auf ihren jeweiligen ursprünglichen Standort hin.
Von Raschütz nach Quersa galt es die Entfernung zu bestimmen. Dass man sich genau für diese beiden Orte entschied, lag unter anderem auch an der zentralen Lage innerhalb des geplanten Netzes. Zwar mussten die ursprünglich gewählten Punkte um 300m nach Norden verschoben werden, weil die Eisenbahntrasse von Großenhain nach Cottbus den Weg versperrte, dennoch setzte sich die Region um Großenhain gegen die auch als Standort in Betracht kommenden Kühren, Elbtal zwischen Meißen und Pirna und das Schlachtfeld um Leipzig durch.
Die Basismitte in Großenhain wurde im Übrigen nur errichtet, um bei Nachmessungen die Einzelstrecken einfach getrennt bestimmen zu können.
Die Basisvermessung 1872
Es war im August 1872, als man sich ans Werk machte, um die genaue Entfernung zwischen den beiden ca. 9km von einander entfernten Basisenden zu ermitteln. Umfangreiche Auf- und Umbauarbeiten, zahlreiche Höhenberechnungen, Ablotungsmessungen und Richtungsbeobachtungen waren notwendig, um die Gefälle entlang der Strecke zu berichtigen und auf Kurs zu bleiben.
Die Messung erfolgte dabei mit einem nach seinem Erfinder benannten Besselschen Messapparat, einem Streckenmessapparat auf 2 Stelzen mit vier Metern Länge. Diese wurden aneinander gelegt und damit wurde die Gesamtstrecke Stück für Stück aufaddiert.
Was sich einfach anhört, war eine längerwierige Arbeit. Gerade einmal 650-900m schaffte man pro Tag auf diese Weise zu vermessen. Und da man sich zu einer Hin- und einer Rückmessung entschied, dauerte das ganze ein paar Wochen. Am Ende hatte man aber eine genaue Entfernung ausgemessen. Diese betrug 8908m und 64.8cm. Die Stäbe mussten für eine Messung sage und schreibe knapp 2200 Mal aneinander gelegt werden.
Fortschrittliche Technik und ein wenig Mathematik
Doch was machte man nun mit dieser Entfernung? Ganz einfach. Mittels dieser Entfernung und ein wenig Mathematik lies sich der gesamte Freistaat perfekt ausmessen. Das Einzige, was man hierfür noch brauchte waren weitere Fixpunkte im Freistaat. Und was eignet sich dafür besser als willkürlich festgelegte Punkte auf einer Ebene? Richtig. Markante Gipfel, Bergkuppen und Hügel im gesamten Freistaat.
Hatte man diese festgelegt konnte man mittels Dreiecksberechnungen Entfernungen bestimmen. Wusste man von Punkt A (Basisende Quersa) und B (Basisende Raschütz), wo diese sind und wie weit diese auseinander sind (8.9km), dann ist es ein leichtes über Winkelgleichungen und Sinusfunktionen und ermittelten Kreisschnittpunkten die Strecken von Punkt A und Punkt B zu Punkt C zu ermitteln. Was man also benötigte, waren viele viele Dreiecke, deren Endpunkte gut sichtbar sind. Pythagoras wäre sicherlich stolz auf die sächsischen Kartographen und Vermesser gewesen.
Ermittelt wurden die Winkel und Entfernungen im Wesentlichen mit zwei Geräten: Die Peilscheibe ist ein einfaches Horizontalwinkelgerät, also eine Art Platte mit eingezeichneten Winkeln und ein Theodolit. Das Winkelmessgerät ist ein Zielfernrohr, das mittels eines Stativs lotrecht über einem Punkt aufgestellt wird. Mit ihm konnten zum einen Drehungen um die eigene Achse und Steigungen, sprich Höhenunterschiede vom Ausgangspunkt zum Endpunkt der Messung, ermittelt werden.
Die Königlich-Sächsische Triangulation
Zu allererst übertrug man die Basislinie auf die Dreiecksseite Collm – Keulenberg. Der Collm ist der höchste Gipfel im heutigen Landkreis Mittelsachsen und bietet sich mit seiner Höhe von 312,8m ebenso an, wie der Wächter der Westlausitz, der 413,4m hohe Keulenberg.
Im weiteren Verlauf der Vermessungen definierte man Punkte erster und zweiter Klasse. Die Punkte erster Klasse, 36 an der Zahl, hatten gegenseitige Abstände von 30 bis 50 Kilometer. Ihnen wurde auch zu Teil, Punkt der Mitteleuropäischen Gradmessung zu sein, die vom 16. bis ins 20. Jahrhundert zur Vermessung der Erdfigur verwendet wurde.
Punkte zweiter Klasse oder Ordnung hatten einen Abstand von ca. 20km zueinander und dienten haupsächlich der Ermittlung und Erfassung der Königlich-Sächsischen Triangulirung, wie diese urpsrünglich bezeichnet wurde.
Das Vermessungsnetz umfasste etwa 16.000 km² (was etwa 87% der heutigen Fläche Sachsens entspricht). Die längste Netzseite misst dabei 53 km. An der Südgrenze konnten einige Netzdiagonalen über das Staatsgebiet Böhmens bis zu 60 km Länge beobachtet werden.
Punkte erster Ordnung
Noch heute sind zahlreiche Säulen erster Ordnung erhalten geblieben. Diese sind wie bereits erwähnt 50-60km voneinander entfernt. Und dennoch konnte man von jedem Punkt der ersten Ordnung mindestens 3 weitere Punkte gleicher Ordnung erblicken. Damit dies möglich war, baute man manchmal hohe Säulen oder rodete die Gipfel der entsprechenden Vermessungspunkte. Da diese bei weitem nicht so stark wie heute bewachsen sind, war dies häufig kein zeitaufwändiges Unterfangen.
Zu den bekanntesten Gipfeln erster Ordnung zählen unter anderem der Fichtelberg, die Lausche (Säule nicht mehr vorhanden), der böhmische Jeschken, der Valtenberg, der Borsberg in Dresden, der Rochlitzer Berg mit dem Friedrich-August-Turm, auf dem sich die Säule befindet und der vogtländische Aschberg bei Klingenthal.
Zahlreiche Säulen der Punkte erster Ordnung befinden sich heute nicht mehr an Ort und Stelle und wurden baulich versetzt. Gut erhalten sind aber noch unter anderem die Punkte in Baselitz, auf dem Hinteren Buchberg südwestlich von Königsbrück, auf dem Kapellenberg in Bad Brambach, Auf dem Albertturm auf dem Collmberg oder in Jauernick, auf dem Schwarzen Berg, damals in der Provinz Schlesien. Überhaupt führten die Punkte bis ins thüringische Ronneborg, den Ochsenkopf im bayrischen Fichtelgebirge oder aber Gipfel in Böhmen und machten vor den sächsischen Grenzen nicht halt.
Punkte zweiter Ordnung
122 weitere Messpunkte waren Punkte zweiter Ordnung. Auch diese wurden mit Säulen markiert, von denen ein Großteil noch erhalten ist und die noch heute besichtigt werden können.
So sind die Säulen heute noch beispielsweise auf dem Lilienstein, den erzgebirgischen Gipfeln von Pöhlberg, Scheibenberg, Bärensteinen und Greifensteinen zu besichtigen. Auch im vogtländischen Landwüst und Hohenbrand zwischen Markneukirchen und Klingenthal steht noch beeindruckend große Säulen. Auf dem Alten Söll in Schöneck wird man ebenso fündig, wie auf dem Plauener Kemmler.
Besonders lohnenswert, weil mit einer Wanderung zu verbinden, sind die Punkte auf dem erzgebirgischen Hirtstein und dem Adlerstein beim Kalkwerk Lengefeld oder aber dem Zschirnstein in der Sächsischen Schweiz.
Wie auch die Punkte erster Ordnung erhielten die Punkte zweiter Ordnung eine fortlaufende Numerierung, beginnend mit der Nr. 37 und dem Heideberg im heute polnischen Działoszyn (Königshain). Die Numerierung endet im vogtländischen Gutenfürst auf dem Kandelstein mit der Nr. 158.
Das fortschrittlichste Kartennetz Europas
Mit seiner Fertigstellung 1890 war die Königlich-Sächsische Triangulation Wegbereiter für eines der fortschrittlichsten Kartennetze in ganz Europa. Zu damaliger Zeit gab es anderswo kaum ein derart genaues Netz an Entfernungen und Lagen verschiedenen Punkte zueinander, wie in Sachsen. Die peniblen Vorarbeiten und Messarbeiten entlang der Großenhainer Grundlinie hatten sich also gelohnt.
Wissenschaftler aus Sachsen haben die Gradmessung und die darauf aufbauenden Forschungen entscheident geprägt und gestaltet. Wichtige theoretische Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der geodätischen Erkenntnisse wurden bereits im 19. Jahrhundert geliefert.
Die Königlich-Sächsische Triangulation heute – Ausflugsziele par excellence
Heute bieten sich die Triangulationspunkte als Ausflugsziel und Erkundungstour geradezu an. Liegen die meisten von ihnen doch immer noch auf den schönsten Flecken Land, die Sachsen zu bieten hat und von denen man zudem meistens eine herrliche Rundumsicht auf die Umgebung hat. Von den heutigen Triangulationssäulen aus könnt ihr schauen, ob ihr die markanten Landmarken der anderen mindestens 3 weiteren zu erlblickenden Säulen entdecken könnt. Und wenn ihr mal wieder eine Wanderkarte oder eine Handyapp zur Navigation nutzt, denkt daran: die Basis aller Navigation ist das GPS – das Großenhainer Positionierungs-System, made in Sachsen 😉
In meinem Blog findest du Touren zu folgenden Triangulationspunkten:
- Nr. 5 – Die Lausche, Säule 1941 abgebaut
- Nr. 15 – Fichtelberg, Säule rund 80m nach Süden verlegt
- Nr. 24 – Aschberg im Vogtland
- Nr. 55 – Zschirnstein
- Nr. 56 – Lilienstein
- Nr. 129 – Greifensteine
- Nr. 132 – Scheibenberg, Säule um 65 m nach Südsüdost versetzt
- Nr. 135 – Auersberg, Vermessungssäule befand sich auf der Nordseite der Plattform des Aussichtsturmes
- Nr. 146 – Friedrichstein in Schöneck, auch bekannt als Alter Söll
- Nr. 153 – Kemmlerberg in Plauen
Weitere Ausflüge zu den anderen Triangulierungspunkten folgen Schritt für Schritt. Ebenso wird nachfolgende Übersichtskarte schrittweise um die einzelnen Triangulierungspunkte ergänzt:
7 Antworten
Hallo,
ich war vorgestern an der Station Strassberg (Nr. 39) in Lückendorf auf der Fuchskanzel im Zittauer Gebirge. Von dort hat man einen wunderbaren Ausblick auf Zittau und das Kraftwerk Turow in Polen. Ein Foto von der Station habe ich auf meinem Facebookprofil unter https://www.facebook.com/photo.php?fbid=2100096920084601&set=a.113939655367014&type=3&theater eingestellt. Gern würde ich es für ihre Internetseite zur Verfügung stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Pierre Junghans
Hallo Pierre, vielen Dank für dein Foto! Viele Grüße Matthias
War heute seit langem wieder ander Station Steinkamm, ein Messpunkt zweiter Ordnung. Liegt auf einer Felsklippe zwischen Auerbach /Erz. Und Gelenau /Erzgeb. Der Messpunkt besteht aus einer Granitsaeule und ist sehr gut erhalten. Die Schrift ist wohl öfters restauriert worden.
Könnte ein Rentner Hobby werden, Messpunkte aufsuchen.
Nicht nur ein Rentner-Hobby. 🙂 Das schöne ist ja, dass bei allen Messpunkten meist eine schöne Aussicht zu finden ist. Nur selten ist diese zugewachsen.
Bin zwar noch kein Rentner, die Punkte aber sind ein schönes Ziel für eine Feierabend-Radtour für längere Sommerabende. Abgearbeitet habe ich bis jetzt die Nummern 12, 13, 18, 35 und 36, sowie 73 – 75, 94 bis 104 und die 107. Von den meisten ist eine sehr schöne Aussicht, es gibt aber auch völlig zugewachsene, wie die Udohöhe. Empfehlung z.B. Wetterhöhe, Baeyerhöhe, Sachsenburg, Erlau… Ich war aber auch schon auf vielen anderen, allerdings noch nicht mit Fahrrad.