Geschafft. 4 wunderschöne Tage Fernwandern in der Heimat. Grenzerfahrungen im deutsch-tschechischen Raum stellten sich überraschenderweise nicht als persönliche und körperliche Grenzerfahrung heraus. Der vierte Tag war beinahe ein gemütliches Auslaufen.
Tag 4 – Gemütliches Auslaufen
Zu dritt ging es am letzten Tag gemütlich Richtung Talsperre Muldenberg. Etienne verließ uns Richtung Klingenthal etwas früher. Am Abend zuvor hatte es geregnet. Die Luft war dementsprechend kalt und klar. Überall auf den Wiesen machten es sich Regentropfen auf Stengeln und Halmen bequem. Funkelnd glitzern sie und werden doch bald durch die Kraft der Sonne verschwunden sein. Unsere Tour führte uns zum Unteren Floßteich und von dort entlang des Wanderwegs am Keilfloßgrabens an der Großen Aschbergschanze vorbei, die 1990 abgerissen wurde. Übrig geblieben ist ein Infoschild und eine Schneise leicht anderer Vegetation im Vergleich zur direkten floralen Nachbarschaft.
Der Weg ist Entspannung pur. Leicht federnder Untergrund, keine Höhenmeter und immer entlang des massiven Grabens. Es war bestimmt keine leichte Arbeit hier eine Schneise in den Hang zu schlagen und die steinerne Flößergrabenwand zu setzen. Entlang des Grabens informieren uns einige Infotafeln über die Geschichte des Flößens. Nach einigen Kilometern durch die frische, klare Waldluft verlassen wir den Weg am alten Flößergraben.
Ich bin glücklich. Ich lasse die letzten Tage Revue passieren, die grandiosen Natureindrücke, die lustigen Abende in Horni Blatna, Wildenthal und am Aschberg, die vielen Gespräche unter Freunden aber auch die Ruhe, so wie jetzt. Phasenweise wandern wir einfach nur nebeneinander oder hintereinander ohne zu reden. So wie jetzt gerade. Dann ist jeder in Gedanken und genießt. Genießt die Natur, genießt das Gefühl draußen zu sein inmitten klarer Luft, die heute nach dem Regen besonders waldig riecht und ist stolz auf das bisher Gewanderte.
Doch noch haben wir es nicht geschafft. Zunächst müssen wir ein paar Höhenmeter gewinnen. Vorbei an der ersten riesigen Halde und den schlängelnden Weg hinauf zur Halde Zentralschacht mit der Schneckensteinaussicht. Den Schneckenstein sieht man hier allerdings nicht.
Hier oben auf der Halde, die wie die benachbarte Halde Schneckensteinschacht durch Menschenhand erschaffen wurde, kann man einen wunderschönen Rundumblick auf das Vogtland genießen. Deutlich zu sehen ist hier oben von der Aussichtsplattform die Vogtland-Arena und die Talsperre Muldenberg. Unser Ziel in Sichtweite. Herrlich.
Doch bevor wir dorthin wandern, gehen wir noch zum größten oberirdischen Topasfelsen der nördlichen Hemisphäre. Der Schneckenstein kann gegen Eintritt bestiegen werden. Ist der Ansturm, wie in unserem Falle, gar zu groß sollte man ihn zumindest außerhalb des Zaunes einmal umrunden, um seine ganze Pracht zu bestaunen. Irgendwie sieht er aus jeder Perspektive komplett anders aus. Mit Phantasie kann man sogar in der richtigen Position eine Schnecke mit Schneckenhaus erkennen. Und wenn man Glück hat, springt auch ein gutes, menschenleeres Motiv heraus. Hat die eine Wandergruppe den Fels verlassen und die andere noch nicht oben ist, wird es Zeit auf den Auslöser der Kamera oder wahlweise des Smartphones zu klicken. Imposant thront er freistehend hier und weist doch tiefe Narben auf. Ganze 2/3, so schätzt man konservativ, wurden am Schneckenstein abgetragen, aufbereitet und zu Topas-Edelsteinen weiterverarbeitet. Gut, dass der Diebstahl von Topas hier unter hoher Strafe steht, sonst würde vermutlich noch weniger vom Granitfels hier stehen.
Nach dem kurzen Abstecher zum Schneckenstein durchqueren wir die kleine gleichnamige Ortschaft und machen uns auf den Weg zur Talsperre Muldenberg, zur Flößerstube und den Floßplatz, von dem wir mit der Vogtlandbahn nach Hause aufbrechen. Die abschließenden 5 Kilometer führen uns leicht bergab entlang eines Wirtschaftsweges durch den Wald. Am Ufer der Talsperre genießen wir das Panorama nur kurz. Unangenehme Gerüche lassen uns schnell weiterziehen. Die Sperrmauer überqueren wir fix, schlängeln uns den Weg hinab vorbei an industriellen Freilicht-Ausstellungsstücken und gehen schnurstracks und zügigen Schrittes (oder was wir so dafür halten) zur Flößerstube. Dort wartet eine wohlverdiente Belohnung auf uns: hausgemachte Soljanka, frischgezapftes Bier und selbstgemachte Kräuterlimonade. Lecker. Die letzten, grobgeschätzen 144,75m bis zum Haltepunkt der Vogtlandbahn sind danach natürlich ein Klacks.
Fazit – Mehrtageswandern, kräftezehrend und erholsam.
Manchmal war es anstrengend und für meine Füße nicht sonderlich angenehm. Kein Wunder, als Bürostuhlakrobat, der zum ersten Mal so eine Tour gemacht hat, bin ich das einfach nicht gewohnt. Doch die meißte Zeit hat mich die Wanderlust regelrecht gepackt. Den ganzen Tag an der frischen Luft bei so schönem Wetter zu verbringen ist ein wahrer Traum und von der ersten Minute an erholsam. Na gut, von der zweiten. Anfangs habe ich schon an meine Arbeit gedacht. Aber begleitet von Vogelgezwitscher, dem Wind der durch die Baumwipfel rauscht und dem Plätschern der vielen kleinen Gebirgsbäche und Wasserfälle erholt sich der Körper und der Geist aktiv. Tief durchatmen und die klare Luft genießen, den Geruch des Waldes aufzusaugen und sich dabei körperlich zu betätigen ist ein perfekter Ausgleich. Mit Freunden wandern und abends gemeinsam beisammen zu sitzen ist schon ein Erlebnis. Das Gepäck störte mich von Tag zu Tag weniger. Manchmal war mir fast so, als fehlte mir ohne Rucksack irgendwas.
Die grandiosen Landschaften des Erzgebirges und Vogtlands waren mir schon früher aufgefallen. Aber so hochkonzentrierte Schönheit hätte ich nicht vermutet. Die Fernsichten auf den Bergen waren hüben wie drüben grandios. Die Naturschutzgebiete wie der Kleine Kranichsee sind eine Augenweide. Die Wege sind gut präpariert und nur selten überlaufen. Größtenteils wanderten wir allein und in völliger Abgeschiedenheit zwischen den kleinen Dörfern, Orten durch die Täler, Wälder und entlang der Gebirgswiesen hinauf zu den Aussichtspunkten. Das Wetter hat glücklicherweise alle 4 Tage perfekt gepasst – strahlender Sonnenschein und angenehme Temperaturen.
Nach einem Tag vollständiger Regeneration hätte ich an Tag 6 schon wieder weiterlaufen können. Ich kann sagen: Mich hat die Wanderlust mehr denn je gepackt. Gut, dass es in Sachsen noch so viel zu erwandern gibt und es mir nicht so schnell langweilig wird.
UPDATE: In meinem Montenegro-Urlaub 10 Tage später hatte ich urplötzlich Knieschmerzen in meinem linken Knie. Ob das eine Ermüdungserscheinung durch die Wanderung war oder eine komische Bewegung im Urlaub, weiß ich nicht. Treppensteigen und Wandern war nur in geringem Umfang und langsamen Spaziergängertempo möglich. Erst die ruhige und körperlich entspannte Bürostuhltätigkeit hat die Probleme in meinem Knie Stück für Stück verschwinden lassen.
Schau ‚mer mal, wie das beim nächsten Mehrtageswandern läuft.
Stellt sich mir nur noch die Frage: Wohin sollte meine nächste Mehrtageswanderung in Sachsen Deiner Meinung nach führen?
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